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Lastensegler des Werbellinsees
„Es ist ein Märchenplatz an dem wir sitzen, denn wir sitzen am Ufer des Werbellin.“, schreibt Theodor Fontane verzückt in seinem Buch „Wanderungen durch die Mark Brandenburg.
Ein Denkmal in Altenhof am Südostufer erinnert an seinen Besuch im Jahr 1862. Und vielleicht hat er sie gesehen. Die Segel gesetzt, den Bauch voller Ladung, geführt von kräftiger Hand des schweigsamen Schiffers. Kaffenkähne. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts prägten die hölzernen Lastensegler das Bild des Werbellinsees, einer bedeutenden Wasserstraße. Sie fütterten das unersättliche Berlin mit dringend benötigten Baustoffen wie Ziegel, Ton und Feldsteine. Zu Tausenden passierten sie über die Jahre den Finowkanal in Richtung Süden.
Ziegel-, Kajüt- und Hangwrack
Das schmelzende Eis der letzten Eiszeit hinterließ nicht nur einen zehn Kilometer langen und anderthalb Kilometer breiten Rinnensee, den Werbellinsee, sondern gab auch begehrte Bodenschätze wie Ton und Mergel frei. Im Norden entstand die Königliche Ziegelei Joachimstal und im Süden die Zementfabrik von Bernoully. Sie produzierten für das schnell wachsende Berlin und Umland im Zeitalter der Industrialisierung. Die einzigartigen Segler dienten als Lastenesel für den Transport.
Mit seiner Maximaltiefe von 55 Metern ist der Werbellinsee nach dem Stechlinsee der zweittiefste See Brandenburgs. Flankiert von Hügeln und Wäldern, Buchten und Vorsprüngen treibt der Wind sein listiges Spiel mit den teils überladenen Lastenseglern. Und so wundert es nicht, dass der Werbellinsee zu den wrackreichsten Gewässern Deutschlands zählt. Bis heute noch Bundeswasserstraße erfreut sich der See nicht nur bei Schifffahrtstouristen und Freizeitkapitänen, Badegästen und Wassersportlern, sondern zieht jährlich viele Taucher aus Nah und Fern ob der historischen Unterwasserwracks an.
Lastenseglererkundung mit guten Buddies
Als ich 2009 mit dem Tauchen in unseren heimischen Gewässern begann, konnte auch ich mich den Geschichten um das Tauchen im Werbellinsee nicht entziehen. Tief und dunkel soll es dort unten sein. Wenn vom Wracktauchen im Werbellinsee die Rede war, ging es meist um das bekannteste Wrack am „Dornbusch“, dem beliebten Tauchereinstieg am Westufer des Sees. Das gut erhaltene Wrack liegt in einer Tiefe von 26 – 36 Metern. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Sporttauchgang dorthin erinnern. Nach einer gefühlten Unendlichkeit im trüben, dunklen Wasser erschien im Schein meiner kleinen Lampe die mahagoniefarbene Steuerboardwand. Jetzt konnte ich mitreden, schließlich war auch ich am legendären Wrack.
Details des Dornbuschwracks I
Doch erst viel später, nach fortführender Ausbildung und erweiterter Ausrüstung, in der Lage, dekopflichtige Tauchgänge zu planen, musste ich erkennen, dass ich nicht ansatzweise um die Größe und Schönheit dieses einmaligen Zeitzeugen wusste. Mit seinen stolzen 40 Metern Länge liegt der Kahn am Hang und empfängt den Taucher mit aufragender, namensgebender Bugkaffe. Hochgebogene Boden- und Seitenplanken bilden die typische Kaffe der Holzkähne. Spätestens seit meinem Seminar „Schiffsarchäologie“ sind mir Schiffsbauformen, Spanten und Planken in kraweeler oder geklinkerter Bauweise nicht ganz wesensfremd. Vorbei an Winde und Maststuhl taucht man über geladene Feldsteine bis zur eingefallenen Kajüte. Das mächtige Ruder mit seiner ausladenden Pinne ist für mich das schönste Detail dieses beeindruckenden „Dornbuschwracks“.
Das legendäre Dornbuschwrack
An diesen bekannten Tauchplätzen begegnet man vielen Gleichgesinnten. Man tauscht sich aus. Und man hört zu. Ein zweites Wrack soll hier auf einer Tiefe von 33 Metern liegen. Die Kursangaben variieren stark. Doch der Ehrgeiz ist geweckt. Nach mehreren Fehlversuchen finden Buddy „Wolle“ und ich schließlich in nördlicher Richtung das stark sedimentierte Wrack II am „Dornbusch“ in einem weitaus schlechteren Zustand.
Von einem „Ziegelwrack“ ist die Rede, das berüchtigte „Kap Horn“ mit seinem regelrechten Wrackfriedhof und das Wrack an den „Puddingbergen“ tauchen immer wieder in Gesprächen auf. Vereinzelt finden sich bei meinen Recherchen hilfreiche Hinweise im Internet. Doch als zuverlässigste Quelle ergibt sich der Austausch mit „alten Hasen“ vom Werbellinsee, die schon viele Jahre im Werbellinsee taucherisch unterwegs gewesen sind.
Mast-, Puddingberg- und Nordwrack
Auch wenn man eine ungefähre Angabe über den Fundort des Wracks hat, so muss es noch gefunden werden. Das „Ziegelwrack“ und die Wracks um „Kap Horn“ liegen am nordöstlichen Ufer des Werbellinsees. Ein Landzugang ist eingeschränkt bis kaum möglich. Der mit einem guten Kilometer nicht sehr breite See und die mittlerweile verfügbare Scootertechnik erlauben eine Querung.
Buddy „Wolle“ ist glücklicher Besitzer eines leistungsstarken Scooters. An einem kalten Wintertag machen wir uns auf den Weg und queren tandemweise mit seinem Scooter den nördlichen Werbellinsee. Ein spannendes Unterfangen. Folgen wir auf dem Hinweg dem Seegrund, fahren wir in fünf Metern Tiefe zurück. Es bedurfte weiterer Tauchgänge, bis wir endlich das wunderschöne „Ziegelwrack“ bewundern konnten. In 14 Metern Tiefe ruht der Lastenkahn voll beladen mit roten Backsteinziegeln. Zumindest war er mal voll beladen. Das Siegel der „Königlichen Ziegelei“ macht die Ziegel zu einem begehrten Sammlerobjekt. Nicht allen Tauchern scheint bewusst, dass es sich bei den historischen Wracks um Denkmale handelt, die als solche zu behandeln sind. Die beobachteten Veränderungen allein in meiner kurzen Taucherzeit sind sehr bedauerlich.
Ziegelwrack, „Königliches Siegel“, DB Wrack II
Südlich vom „Dornbuschwrack“ liegt an einer ausgeprägten Mergelwand in sportlicher Entfernung das „Puddingbergwrack“. Flösselnd ist man gute 30 Minuten unterwegs. Auch hier führen nicht alle Tauchgänge zum gewünschten Erfolg. Gerade bei schlechten Sichtverhältnissen schießt man schon mal am Ziel vorbei. Überhaupt ist jeder Tauchgang Bestandteil eines Lernprozesses. Die Rückschläge steigern die Freude des Erfolges.
Eine kleine Landzunge am östlichen Ufer des Werbellinsees trägt den deutungsvollen Namen „Kap Horn“. Hier müssen die Windverhältnisse für die Lastensegler besonders tückisch gewesen sein. Fünf Wracks in einer Tiefe von 12 – 27 Metern zeugen von einem nicht ganz ungefährlichen Wasserweg. Ladung und Zustände der gesunkenen Kähne unterscheiden sich stark. Das sogenannte „Kajütwrack“ wartet als einziges Wrack noch mit einer stehenden Kajüte auf, in dem der Schiffer mit seiner Familie lebte. Das „Mastwrack“ verfügt über einen wiederaufgestellten Mast und das „Hangwrack“ liegt mit seiner Tonladung am Hang des Ufers. Zwei weitere Kähne sind stark sedimentiert und ragen teilweise nur noch mit der obersten Boardwand aus dem Grund.
Kap Horn-Wrack, Steinladung und Kaffe
Mit Heiko und Helmut traf ich zwei ebenso leidenschaftliche Taucher und gute Kenner des Werbellinsees. Sie wussten von zwei weiteren Wracks im Norden und Süden zu berichten. Das „Nordwrack“ in einer Tiefe von 6 Metern lässt allerdings nur noch ein Schiff erahnen, allein die Feldsteinladung zeugt von einem Wrack. Muschelbewachsene Planken und Spanten verraten das „Südwrack“ vor Wildau auf 8 Metern Tiefe. Überhaupt lässt sich feststellen, dass der Muschelbewuchs an den Wracks und deren Überreste stark zugenommen hat.
Mittlerweile sind wir alle motorisiert. In den letzten drei Jahren haben wir zahllose, spannende und herausfordernde Tauchgänge zu jeder Jahres- und Tageszeit im Werbellinsee durchgeführt. Es gab Bekanntes und viel Neues zu entdecken. Letzten Winter tauchten wir alle 11 uns bekannten Kaffenkahnwracks ab, um sie bei guter Sicht zu dokumentieren. Dabei stießen wir im Süden auf eine weitere verdächtige Feldsteinladung mit Holzresten. Macht dieser Fund das gute Dutzend voll?
Fischerkahn vor Altenhof
Nicht ganz ohne Stolz blicken wir auf unsere Abenteuer im schönen See Brandenburgs zurück. Wer kann schon von sich behaupten, alle historischen Wracks von Land aus erkundet zu haben. Hinzu kommen ein Einbaum und ein weiteres Dutzend rezenter Wracks wie Kajüt- und Segelboote. Besonders freut uns, das 1974 gesunkene Fischerboot vor Altenhof in diesem Jahr gefunden und als Erste vom Ufer aus betaucht zu haben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bleibt zu hoffen, dass uns die „Schätze“ des Werbellinsees, die Lastensegler aus vergangenen Tagen noch lange erhalten bleiben, wird ihnen doch seit Jahrzehnten mit den verschiedensten Absichten „nachgestellt“.
Text bereits im Fachmagazin „Wetnotes“ Ausgabe #34 (Dezember 2019) erschienen.
2020 / 2017 Tauchen in der Spree
15.06.2017 / 29.07.2020, Die Spree (Brandenburg)
Die Spree, Nebenfluss der Havel . Drei Quellen im Lausitzer Bergland bilden den Ursprung des Flusses im schönen Sachsen. Mit einer Gesamtlänge von 400 Kilometern schlängelt sie sich durch die Bundesländer Sachsen, Berlin und Brandenburg.
Gestern erhielt ich von Micco und Werner, guten Tauchfreunden des TC Strausberg und TSC Marzahn, eine Anfrage für einen gemeinsamen Tauchgang der besonderen Art, Tauchen in der Spree. Geplant war eigentlich ein schöner Trimix-Tauchgang im Steinbruch Wildschütz vom Volker Buder. Eine Autopanne meines Buddies machte uns allerdings einen Strich durch die Rechnung und so zögerte ich keine Sekunde, dem Abenteuer Flusstauchen zuzusagen.
Tauchen in der Spree
Im Müggelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet mäandert die Spree oberhalb des Oder-Havel-Kanals in einer atemberaubenden, naturbelassenen Landschaft bevor sie in den Dämeritzsee mündet. Das Reich von Biber, Eisvogel, Ringelnatter, Rohrsänger und vielen anderen. Die Sonne malt eine unglaublich schöne Kulisse. Wir sind Gäste.
Meine beiden, erfahrenen Buddies wählen für unseren Tauchgang einen Flussabschnitt von ca. einem Kilometer in der Gemeinde Grünheide (Brandenburg). Bevor man sich freudig in die Fluten stürzt, sollte man für sich ein paar Fragen beantworten. Wo steigen wir ein und vor allem wo wieder aus? Wie erkenne ich den Ausstieg? Wo parken die Autos und wie komme ich zum Ein- bzw. Ausstieg? Wir entscheiden uns für ein Basislager am Ausstieg, einem Wanderrastplatz kurz hinter einer kleinen Brücke, einem markanten Merkmal.
Abenteuer Flusstauchen
Noch einmal begutachten wir den Flusslauf und unseren Ausstiegspunkt. Das Wasser funkelt einladend unter dem strahlend blauen Himmel. Stattliche Döbel lauern in der Strömung auf eine Mahlzeit, Schwärme von Plötzen und Ukeleien ziehen unentwegt ihre Kreise und Steinbeißer baden im Sand am flachen Ufer des Flusses Spree. Wir freuen uns auf das Abenteuer „Flusstauchen“.
Abgetaucht Sommer 2020
Komplett angerödelt fahren wir vom Basislager zum oberhalb gelegenen Einstieg. Der Pegelstand mit 1,20 Meter nicht der Höchste. Während des Tauchganges werden wir eine maximale Tiefe von 3,5 Meter erreichen. Die Strömung variiert entsprechend Flusslauf und Tiefe. Wir gehen von einer 45-minütigen Drift aus. Unter den Augen von neugierigen Radwanderern steigen wir in den Fluss und tauchen ab.
Unterwasserwelt Spree
In Richtung Flussmitte nehmen wir Fahrt auf. Die Sicht schätze ich auf 2 Meter. Von gigantischen Wallern in der Spree ist die Rede. Da wir diese in den Überhängen der Uferbereiche vermuten, steuern wir immer wieder in diese Bereiche. Es macht Spaß und ist mit Kamera und Lampe in der Hand schon ein wenig herausfordernd. Besonders, wenn man glaubt, etwas entdeckt zu haben und auf der Stelle weilen möchte.
Buchten im Uferbereich beruhigen das Wasser, ja es steht beinah. Hier trifft man auf viel Weißfisch wie Plötze und Ukelei zwischen Teichrose, Igelkolben und Laichkraut. Auch der Flussbarsch ist häufig in der Spree anzutreffen. Allein der Europäische Wels zeigt sich nicht. In jede dunkle Bucht halte ich meine Lampe in der Hoffnung auf weiße, verräterische Barteln und festige mich, ob eines riesigen Mauls nicht zu erschrecken. Ein junger Hecht steht im Kraut und hält gegen die leichte Strömung an. Unterwasserfotografie im strömenden Wasser.
Begegnungen in der Spree
Von Beginn an bin ich überrascht über das Vorhandensein von Süßwasserschwämmen am Grund des Flusses. Festsitzend auf dem Kiesbett besiedeln sie große Flächen korallengleich und trotzen dem Strom. Wie schaffen sie es nur, ihr Kieselsäureskelett unter diesen Bedingungen zu bauen. Selbst kleine Finger bilden sie aus und zeigen in Fließrichtung. Ich bin wirklich beeindruckt und vergesse die Waller.
Bereits 60 Minuten treiben wir in der Spree. Den Schatten einer Brücke konnte ich bisher noch nicht ausmachen. Sind wir schon hindurch? Bin ich am Ausstieg vorbei? Die Drift und die Sicht haben uns auseinandergetrieben. So war aber auch der Plan, bei zwei Kameraleuten unausweichlich. Ich stecke den Kopf aus dem Wasser. Keine Brücke. Der Fluss wird gesäumt von wilden, naturbelassenen Ufern. Keine Chance für einen Ausstieg. Vielleicht hinter der nächsten Biegung. Ich tauche wieder ab.
Flora und Fauna in der Spree
Die Wasserpflanzen im Flussbett nehmen zu. Die langen Stiele und Blätter wiegen beinah horizontal in der Strömung der Spree. Ich lasse mich treiben und genieße. Es treibt mich ans Ufer. Der Fluss ändert seine Richtung. Und wieder. Zahllose Süßwasserschwämme von weißgelb bis algengrün. Im Uferbereich schichten sich Äste. Von Menschenhand? Oder ist es das Bauwerk des Flusses? Am Ende des Tages werde ich erfahren, dass es das Bauwerk eines Bibers ist. An jedem Ast heften Schwämme. Mit abnehmender Fließgeschwindigkeit bilden sie sich zu prächtigen Geweih-Süßwasserschwämmen aus. Wunderschön.
Geweih-Süßwasserschwämme in der Spree
Weitere 10 Minuten sind vergangen. Und keine Brücke. Erste Zweifel. Ich steige noch einmal auf. Weit vorn am Ufer Leute. Ich rufe. Sind es meine Buddies? Badegäste, aber sie deuten mir, die Brücke liegt noch vor mir, ca. 500 Meter. Ich mag’s kaum glauben. Nach über 90 Minuten haben wir letztendlich unseren Ausstieg dann doch gemeinsam erreicht.
„Solange haben wir noch nie gebraucht.“, erfahre ich von meinen Buddies. Zwischenzeitlich zweifelten auch sie und mussten sich unterwegs vergewissern, noch auf dem richtigen Weg zu sein. Den Herrscher der Unterwasserwelt, den Europäischen Wels, bekamen auch sie nicht vor die Maske. Wir steigen aus dem Wasser.
Tauchrevier Deutschland. Die Spree
Die Autos vom Einstieg werden zum Basislager zurück geführt und der tolle Tauchgang bei Bier und Bulette, Kaffee und Kuchen ausgiebig besprochen. Was für ein herrlicher Tag im Tauchrevier Deutschland. Vielen Dank Micco und Werner für das tolle Erlebnis, Tauchen in der Spree.
Flusstauchen. Schon mal gemacht?
Freue mich auf eure Kommentare, Anmerkungen, Tipps, Links und Bilder.
2018 Tauchen im Stienitzsee
Tauchen im Stienitzsee (Brandenburg), Herbst 2018
Brandenburg ist mit 3.000 Gewässern seenreichstes Bundesland. In meinem nahen Umfeld befindet sich der Stienitzsee, der mit dem Straussee, Kalksee und Flakensee eine Rinnenseekette eiszeitlichen Ursprungs in NO-SW-Ausrichtung bildet.
Der See ist gut drei Kilometer lang und einen Kilometer breit. Seine maximale Tiefe wird mit 14 Metern angegeben. Während sich am Ostufer der Ort Hennickendorf anschmiegt, ist das Westufer von Wald gesäumt. Ortseitig ist das Ufer dicht bebaut. Ein freier Zugang mit dem Auto nebst Tauchgerödel ist kaum möglich. Im letzten Jahr ermöglichte mir Fischer Peter Klose einen Einstieg über sein Fischereigelände. Was ich dort vorfand, lest ihr hier.
Einstieg Westufer Stienitzsee
In diesem Jahr wollte ich den Stienitzsee unbedingt vom Westufer, der Waldseite betauchen. Zu Fuß unternahm ich einige Erkundungstouren. Zwei Angelvereine und ein Motorsportverein haben hier ihr eingefasstes Domizil. Die Uferzone ist dicht bewaldet und mit Dickicht bewachsen. Ein, zwei Stellen wären zum Tauchen durchaus zugänglich.
Mit dieser Ortskenntnis im Kopf machte ich mich völlig naiv auf, eine Waldbefahrung zu beantragen. Doch wo anfangen? Wer sind die Eigentümer? Nach mehreren Tagen Telefonaten und aufgeschlossenen Revierförstern erhielt ich tatsächlich eine begrenzte Waldbefahrung. Nun stand einer Unterwassererkundung nichts mehr im Wege.
Unterwasserwelt Flora und Fauna
Das richtige Wetter abgepasst, packte ich im September das Auto und fuhr an den Stienitzsee. Es ist windstill und das Wasser liegt klar und glatt vor mir. Vorfreude. Hüfttief stehe ich nun im Stienitzsee, die letzten Checks und abgetaucht. Ich tauche in Richtung Seemitte. Das Ufer fällt absolut flach ab. Flaches Quellmoos, durchbrochen von Tausendblatt und Hornblatt inmitten großer Muschelfelder dominieren die Unterwasserlandschaft. Vereinzelt Wasserpest, Nixenkraut, Teichrose und Leuchteralgen bringen Vielfalt in die Makrophytenwelt. Die Sicht ist mit zwei bis drei Metern gut. Sonnenstrahlen tanzen am Grund.
Große Teichmuscheln stecken im Sand und filtern mit ihren Siphons das Seewasser. Hier und da ein kleiner Flussbarsch. Vor mir tut sich im Grün ein Schatten auf. Was ist das? Noch wenige Flossenschläge und ich erkenne einen Süßwasserschwamm. Doch dieser Schwamm ist riesig, korallengleich verästelt und leuchtend grün. Was für eine Pracht. Um ihn herum huschen zahllose Flussbarsche. Jetzt erkenne ich das gesamte Gebilde. Ich kann mich einfach nicht satt sehen.
Prächtiger Süßwasserschwamm
Der Schwamm siedelt auf kleinen, zusammengebundenen Bäumen. Gewichte zeugen von Menschenhand. Ich erinnere mich an Erzählungen vom Fischer im letzten Jahr. Er hatte mehrere Holzgebinde dieser Art als Zandernester im See ausgebracht. Dies muss eines davon sein. Von den Ästen ist kaum noch etwas zu sehen. Einem Korallenriff gleich reckt sich diese Schönheit zur Sonne. So einen gewaltigen Schwamm habe ich noch nirgends sehen dürfen. Die strukturliebenden Flussbarsche lieben ihn augenscheinlich ebenso. Sie huschen hindurch, verstecken sich und weiden das Zooplankton von den Verästelungen.
Wenngleich nichts auf Zandernester hindeutet, ist dem Fischer mit dieser Tat wahrlich Meisterliches gelungen. Es fällt mir schwer, mich von dieser Pracht loszusagen. Ich hoffe sehr, dass Anker, Blinker und Flosse diesem Schwamm nie zusetzen werden.
Flusssbarsche und Süßwasserschwamm (Spongillidae)
Mehr als sieben Meter Tiefe erreiche ich heute nicht. Längst hat schlammiger Boden den Pflanzensaum abgelöst. Spuren verraten die Existenz von Flusskrebsen. Die ersten Begegnungen lassen auch nicht lange auf sich warten. Kamberkrebse nennen den Stienitzsee ihr Zuhause. Ich drehe um und finde auch hier die ein oder andere menschliche Hinterlassenschaft. Sackkarre, Stühle, Flaschen; längst besiedelt von Dreikantmuscheln und Süßwasserschwämmen.
Nach 120 Minuten erreiche ich das flache Ufer und entsteige zufrieden dem Brandenburger See. Zwei Wochen später bin ich erneut auf Erkundungen hier unterwegs. Den gigantischen Schwamm finde ich wieder. Herbst lässt ihn langsam verblassen und welken. Die Fische haben sich zurückgezogen. Es wird still in unseren heimischen Seen.
Kennt ihr den Stienitzsee?
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Tauchen im Werbellinsee
5. Januar 2018, Werbellinsee (Brandenburg)
Das neue Jahr ist bereits fünf Tage alt, die besinnlichen Feiertage im alten Jahr zurück gelassen und 2018 mit Freunden zünftig begrüßt. Vor zwei Tagen wurde ich zum zweiten Male Großvater. Das Jahr kann nicht schöner beginnen. Jetzt ist es an der Zeit für den ersten Tauchgang im Neuen Jahr, Tauchen Werbellinsee.
Es ist Freitagmorgen, der Himmel ist leicht bedeckt und die Temperaturen klettern auf 5 Grad Celsius. Ich stehe am Nordwestufer des herrlichen Werbellinsees, am beliebten Tauchereinstieg „Dornbusch“. Ich habe keine Ahnung, wie viele Tauchgänge ich im klaren Nass des eiszeitlichen Natursees habe absolviert. Keine Minute der Langenweile, der Enttäuschung. Es gibt Zahlloses zu entdecken. Das Leben unter Wasser folgt dem Zyklus der Jahreszeiten.
Kaffenkahnwrack „Dornbusch“
Mein heutiges Ziel wird das bekannte und beliebte Wrack eines Lastenseglers, Kaffenkahns, sein. Der gut 40 Meter lange, mit Feldsteinen beladene Holzkahn ruht auf einer Mergelbank und fällt mit seinem Heck auf einer Tiefe von 38 Metern ab. Dieser Zeitzeuge menschlichen Strebens ist beliebter Rückzugsort für viele Fische. Wels, Quappe, Kaulbarsch, Flussbarsch, Plötze und Aal konnte ich dort bereits beobachten.
Teltower Kreisblatt vom 26. August 1886:
„Am Sonntag Vormittag ist auf dem Werbellinsee ein mit Steinen beladener Kahn gesunken, wobei leider der betreffende Schiffer, seine Gattin und deren siebzehnjähriger Sohn, die noch im letzten Moment in die Kajüte eilten, um Wertsachen zu retten, ertranken, während es dem Knecht gelang sich in den neben dem sinkenden Fahrzeuge befindlichen kleinen, mit letzterem durch Tau verbundenen Kahn zu retten und durch sofortiges Durchhauen des Taues jede Gefahr von sich selbst zu beseitigen.“
Da ich eine Verweildauer von 40 Minuten am Wrack plane, werde ich zur Verkürzung der Deko im kalten Wasser (5 – 6 Grad) ein EAN50 Gas mitführen. Eine Heizweste vertreibt die einsetzende Kälte. Gute Ausrüstung für Wintertauchgänge in unseren heimischen Seen ist unerlässlich. Ich montiere die Gerätschaften, präpariere meine Kamera und schleppe das Gerödel zum See. Check. Check. Check. Mein Kopf ist unter Wasser und ein breites Grinsen macht sich breit.
Zeitzeugen Lastensegler
Die Sicht ist ausgezeichnet. Der Weg hinab zum Wrack ist schnell getaucht. Flohkrebse, Schlammschnecken und Flusskrebse weiden die großflächigen Muschelkolonien. Nach wenigen Minuten leuchtet das massige Bug, der Kaffen, im Schein meiner Lampe. Flussbarsche bevölkern das Wrack. Ich tauche an der Backbordseite hinab zum Heck, vorbei am mächtigen Maststuhl und der steinigen Ladung. Mein Lichtkegel scannt das Umfeld. Schwaches Tageslicht dringt ob der guten Bedingungen hinab auf den Grund.
Ich erreiche die eingefallene Kajüte. Sie ist abgesehen von kleinen Fischen leer. Unter einem Brett wird das Licht meiner Lampe auffällig reflektiert. Ein junger Wels drückt sich fest in den Spalt. Hier wird er vor den scharfen Schnäbeln hungriger Kormorane sicher sein und den Winter überdauern. Die große Ruderpinne ragt weit in das Boot und endet an einem riesigen Ruderblatt. Das Ruder liegt genau auf einer kleinen Mergelkante. Durchzogene Löcher bieten dem Kamberkrebs Heim und Schutz. Jeder Blick wird belohnt.
Junger Wels, Silurus glanis
Auf die gehofften Begegnungen mit unserem Süßwasserdorsch, der Quappe, muss ich leider verzichten. Eigentlich treffe ich diesen kälteliebenden Fisch immer hier unten. Vielleicht sind sie gerade auf Brautschau, beginnt doch jetzt die aktive Zeit der Tiere.
Ich drehe noch zwei Runden am Wrack, schaue mich ein wenig daneben um und steige wieder auf. Eine kleine Mergelwand auf etwa 20 Metern ist eine ideale Gaswechselstelle. Während ich nun angereichte Luft durch meine Lungen schiebe, um den Stickstoff schneller loszuwerden, begebe ich mich unter Beibehaltung des Dekoplans auf Entdeckertour in flachere Bereiche.
Der Fisch ist verschwunden, die Pflanzen sind welk und dennoch ist jeder Atemzug und Flossenschlag Freude und Entspannung. In kleinen Nischen finden sich Grüppchen von Schwebgarnelen. Bald werden sie wieder in großen Schwärmen durch den Werbellinsee ziehen. Viele Ohrschlammschnecken suchen einander und hinterlassen schnittmusterähnliche Spuren.
Kleines Treiben im Werbellinsee
Ein zappelndes Röhrchen weckt meine Aufmerksamkeit. Ein massiver Kopf im Tigermuster mit kräftigen Zangen verrät eine Köcherfliegenlarve. Aus lebensraumspezifischem Material verklebt sie einen schützenden Köcher für den empfindlichen Hinterleib. Das Beobachten ihres unermüdlichen Treibens lässt die Zeit vergessen. Ich liebe diese fantastischen Kleinigkeiten.
Köcherfliegenlarve
Nach 1 ½ Stunden steige ich aus dem Nass. Drei weitere Taucher haben sich eingefunden, um das Wochenende zu begrüßen. Bekannte Gesichter. Chris und Daniel stecken bereits in ihren Trockentauchanzügen. Martin taucht gerade auf. Während wir uns der nassen Sachen entledigen und in warme Kleidung schlüpfen, tauschen wir uns über das Tauchen in Island, Grönland und im Baikalsee aus. Ein weiterer schöner Tag im Tauchrevier Deutschland. Das Wochenende kann beginnen.
Ihr wart bestimmt schon am Wrack, oder?
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Tauchen im Bisophärenreservat
08.10.2017, Tauchen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin
Brandenburg ist wunderschön, zu jeder Jahreszeit. Das muss ich immer wieder feststellen. Brandenburg ist reich an Seen. Wir Taucher sollten der Eiszeit ein Denkmal setzen. Wirklich zahllose kleine und große Seen reihen sich in Rinnen, liegen in enger Nachbarschaft und entfalten ihre Schönheit inmitten stattlicher Wälder.
Und dies trübt auch ein wenig das Taucherherz. Ist das Brandenburger Wassergesetz in Bezug auf das Tauchen mit Gerät durchaus liberal, so kennt das Brandenburger Waldgesetz keine Gnade. Zufahrten, um das schwere Tauchgerödel an den See zu bringen sind eher Fehlanzeige. Ausgewiesene Landschaftsschutzgebiete wie das „Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin“ und Naturschutzgebiete wie das Weltkulturerbe „Grumsiner Forst“ verschärfen die Situation. Man muss sich gut informieren.
Seen im Biosphärenreservat
Die Seenlandschaft ist riesig, hier seien stellvertretend der Grimmnitzsee, Dovinsee, Grumsinsee, Gladbecker See, Wolletzsee, Peetzigsee und der Redernswalder See genannt. Erkundungen vor Ort in einmaliger Landschaft liefern wertvolle Informationen für einen möglichen Tauchgang. Erzählungen heimischer Uckermärker und Barnimer runden das Bild ab. Da ist von Schätzen die Rede, altem Kriegsgerät und Tiefenangaben von über 70 Metern. Abenteuerlich.
So manche Schönheit entpuppt sich allerdings als wirkliche Enttäuschung. Pflanzenlos, fischleer, ja beinah leblos zeigt sich eine enttäuschende Unterwasserwelt. Die Ursachen sind sicher vielfältig und die Einflüsse vielschichtig. Doch es gibt sie noch, lebendige und gesunde Seen, wahre Perlen. So zeigte sich auch unser heutiges Tauchrevier, dessen Namen ich bewusst nicht nennen möchte.
Schöne Unterwasserwelt
Nach dem Unwetter „Xavier“, der dem alten Buchenbestand ziemlich zusetzte, und dem anhaltenden Regen scheint die Sonne wie lange nicht. Die Herbstfärbung des Laubes der säumenden Bäume leuchtet in ihrem Schein. Es ist wundervoll, hier am Ufer des Sees zu stehen. Und noch mehr freuen wir uns den Kopf unter die Wasseroberfläche zu stecken.
Unter leuchtenden, neugierigen Blicken vielleicht zukünftiger Taucher stapfen wir in den See und machen die letzten Handgriffe. Check und Gluckgluck. Das Wasser ist grün geschwängert und hat Sichtweiten von 3-4 Meter. Sofort tauchen wir in eine artenreiche Pflanzenwelt ein. Schön und prächtig, doch bereits herbstlich geprägt. Wasserschlauch, Laichkraut, Raues Hornblatt, Hahnenfuß und Tausendblatt gehen mit zunehmender Tiefe in Wasserpest und Grünalgen über. Abgestorbene Biomasse vergangener Jahre wabern am Grund und geben keinen Halt für Muscheln. Zahllose Spuren des wandernden Flusskrebses sind schnell ausgemacht. Ist hier vielleicht noch ein Edelkrebs Zuhause?
Flora und Fauna im Herbst
Nach einigem Suchen entdecke ich den ersten Krebs, die kastanienbraunen Abdomen verraten den invasiven Kamberkrebs. Also auch hier. Mit nur wenigen Bewegungen ist er ganz im Schlamm versunken. Vereinzelt huschen kleine Flussbarsche im Schein der Lampe. Wir drehen eine ausgiebige Runde im See, um dann an das Ufer für den Rückweg zurückzukehren.
Kamberkrebs, Teichmuschel und Hecht
Felder von Hornblättrigen Armleuchteralgen zeigen das nahende Ufer an. Immer wieder bin ich von einer derartigen Pracht begeistert. Die kleinen Lauerjäger finden ideale Bedingungen, um den kleinen Plötzen und Barschen nachzustellen. Wundervoll. Ebenso imposant sind die zum Licht ragenden Triebe des Gewöhnlichen Wasserschlauchs, einem Fleischfresser (Karnivore). Unzählige Fangblasen sammeln das Zooplankton und decken zusätzlich den Nährstoffbedarf.
Gewöhnlicher Wasserschlauch (Utricularia vulgaris)
Eine wirklich beeindruckende Unterwasserlandschaft. Abgerundet wird das prächtige Erscheinungsbild durch Wiesen von Nixenkraut. Süßwasserschwämme klammern sich an den Halmen des Röhrichts. Es gibt endlos zu entdecken. Und so wundert es nicht, dass die Uhr schon eine Tauchzeit von gut 100 Minuten anzeigt. So langsam dringen 14 Grad Wassertemperatur durch und wir entsteigen mit einem Lächeln dem wunderschönen See.
Unterwasserimpressionen eines heimischen Sees
Die Sachen sind schnell verstaut und wir verabschieden uns zu neuen Tauchabenteuern im Tauchrevier Deutschland.
Nachttauchen im heimischen See
Nachttauchen Sommer 2017
Das Tauchen in unseren heimischen Gewässern wird leider immer noch unterschätzt. Dabei bietet die artenreiche Unterwasser-Flora und Fauna dem Taucher unendlich viel zu bestaunen. Ein besonderes Erlebnis sind die Nachttauchgänge. Mit einsetzender Dämmerung betreten nachtaktive Protagonisten die nasse Bühne und verändern das gewohnte Erscheinungsbild. So fasziniert von der dunklen Unterwasserwelt, stieg ich diese Woche gleich drei Male nach Sonnenuntergang in das mein Element.
Kalksee
Immer wieder aufgeschoben, habe ich nun kurzerhand mein Tauchgerödel ins Auto gepackt und bin an den nur wenige Minuten entfernten Kalksee gefahren. In den Sommermonaten meide ich in der Regel diesen See ob der vielen Badegaste und dem regen Bootsbetrieb der Freizeitkapitäne. Die Ferien sind jedoch in Brandenburg zu Ende und mit eintretender Dunkelheit erwarte ich einen stillen See. Nun ja, Badegäste waren tatsächlich nicht mehr am Strand, doch der Bootsbetrieb findet jetzt unter Beleuchtung statt. Egal, ich mache mich fertig, packe meine Boje ein und trotte zum Ufer. Ein Motorboot ankert in der Bucht. Ich rufe den Skipper und stimme mit ihm meine taucherischen Unternehmungen ab.
Marmorgrundel. Neubürger im Kalksee
Die Sicht ist recht ordentlich. Im Schein meiner starken LED-Lampe tanzt das Zooplankton ganz vergnügt. Ich tauche zur Seemitte und möchte eine kleine Runde drehen. Doch ich kenne meinen See kaum wieder. Dreikantmuschelkolonien und flaches Brunnenmoos bestimmten das Aussehen des Kalksees unter Wasser. Vor mir türmen sich allerdings Wände von meterhohem Hornblatt. Ein Dickicht aus pflanzlichem Grün. Im Zickack schwebe ich vorsichtig mit meinem Kamerakraken in tiefere Gefilde. Fünf Meter, mehr erreiche ich nicht. Jetzt langsam beginnt sich der Dschungel zu lichten. Am Grund liegt ein breiter Teppich aus grünen Fadenalgen und hungrigen Bakterien. Mein letzter Tauchgang hier war im Juni bei fast Null Sicht. Ich bin wirklich überrascht, über diese starke Veränderung.
Der Marmorgrundel scheint es zu gefallen. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Im letzten Frühjahr registrierte ich die Erstmeldung dieser invasiven Fischart im Kalksee. Der Erfolg ihrer Reproduktion ist unübersehbar. Zahllos, wirklich zahllos huschen die kleinen 1-2 Zentimeter langen Jungfische über den algenüberzogenen Grund. Blitzschnell sitzen sie auf meiner Kamera und suchen Schutz. Selbst in den Trieben des Rauen Hornblattes lauern sie auf kleine Beute. Sie bleiben allerdings nicht nur mir unentdeckt. Schwadronierende Flussbarsche versuchen die flinken Grundeln zu erbeuten.
Langsam muss ich umkehren. Der Zickzack-Kurs macht es mir nicht einfacher, den schmalen Ausstieg im Schilfgürtel bei totaler Dunkelheit zu finden. Das ankernde Motorboot mit seiner Bordbeleuchtung wird mir eine gute Orientierungshilfe sein.
Steinbeißer bei Nacht
Badegäste halten einen kleinen Bereich krautfrei und wälzen den weißen Sand stetig um. Den Steinbeißern gefällt’s. Im Schutz der Dunkelheit kommen sie aus ihren sandigen Verstecken und laben sich am Zoobenthos. Eine wirklich schöne Fischart. Zwischen ihnen huschen junge Kaulbarsche. Die nachtaktiven Jäger scheinen hungrig. Es ist so lebendig und wundervoll.
Straussee
Der Präsident des Tauchclub Strausberg, Micco, lud mich zu einem Nachttauchgang im Straussee ein. Ist der Straussee für seinen Fischreichtum bekannt, so wird er auch nachts nicht enttäuschen. Vor drei Tagen bin ich bereits mit einem Lächeln im Gesicht diesem See bei Nacht entstiegen. Ich zögerte also nicht.
18:00 Uhr treffen wir uns auf dem Vereinsgelände. Bis zur Dunkelheit bereiten wir die Tauchausrüstung vor und erzählen uns die neuesten Tauchgeschichten. Vier weitere Vereinsmitglieder treffen ein. Dann tauche ich ab, checke nochmals meine Ausrüstung und Kamera und bin in meinem Element.
Jungfische und Kamberkrebs
Die Dunkelheit verleiht der Unterwasserwelt eine besondere Stille. Die tagaktiven Schwärme von kleinen Flussbarschen und Plötzen haben sich am Grund des Sees zur Ruhe gesetzt. Nur wer eins mit der Umwelt wird, überlebt diese Nacht. Es ist absolut spannend zu beobachten, mit welchen Strategien die Beutefische den nachtaktiven Jägern trotzen. Junge Schleie graben sich tief ins Dickicht von Tausendblatt und Leuchteralge. Nur nicht bewegen. Kleine Barsche liegen hinter Steinen oder auf Ästen und Leinen und glauben sich so unsichtbar.
Wer sich bewegt, verliert
Und da ist er, der erste Jäger der Nacht, ein stattlicher Breitkopfaal. Mit seinem schlangenförmigen Körper schiebt er sich am Grund durch die Dunkelheit. Seine Kopfform erlaubt ihm, in kleine Höhlen und Verstecke nach Beute zu schauen. So jagen auch Muränen im Riff der Meere. Tagsüber sind Begegnungen mit einem Aal eher selten. Meist sieht man nur den Kopf oder Schwanz aus ihrer Ruhestatt luken. Der Hunger treibt sie nachts heraus. Stets in Bewegung sind die Fische für mich als Fotograf eine echte Herausforderung. Ich freue mich, diese Nacht mehrere Begegnungen mit der gefährdeten Art zu haben.
Nachtaktiver Jäger – Europäischer Aal
Es gibt so viel zu entdecken. Kaulbarsche, Steinbeißer, Plötzen, Schleie, Flussbarsche, Hechte und zu meiner Freude auch eine Quappe. Und so wundert es nicht, dass die Zeit in Vergessenheit gerät. In diesen Momenten erinnere ich mich gern an einen meiner Tauchlehrer, dem Italiener Mario Arena, der sagte: „Wenn alles da unten endlos scheint, das Atemgas ist es nicht.“. Nach gut 100 Minuten kehre ich um. Auf meinem Rückweg werde ich Zeuge von Kannibalismus. Flussbarsche scheuen sich nicht, ihren eigenen Nachwuchs zu fressen. Erstaunlich, was so alles in ein Fischmaul passt.
Kannibalismus
Am Ausstieg werde ich bereits von Micco und Ulf erwartet. Gemeinsam mit Silvia und Uwe wird bei einem zünftigen Dekobier und einer deftigen Bulette Tauchergarn gesponnen. Ein wundervoller Tagesausklang im Tauchrevier Deutschland.
Nachttauchen? Schon erlebt?
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2017 Tauchen im Stechlin
11.05.2017, Stechlinsee (Brandenburg)
Das Frühjahr steht im Tauchrevier Deutschland ganz im Zeichen der Reproduktion. Die Fische kehren bei einer Wassertemperatur von ca. 10 Grad Celsius aus ihren Winterquartieren zurück in die Flachbereiche zur Eiablage. Der Zander gehört zu den frühen Ablaichern der heimischen Fischfauna. Und auf genau diesen Räuber hatten wir es abgesehen. Dem Tipp eines Bekannten folgend, fuhren wir nach Mecklenburg-Vorpommern zum Vilzsee bei Diemitz, der wohl für seine Zandergruben bekannt sein soll.
Vorbei an blühenden Rapsfeldern bei traumhaftem Frühlingswetter fahren wir gen Norden, wo Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern küsst. Immer wieder muss ich anhalten, um mich an der Blütenpracht satt zu sehen. Die Ostprignitz ist ein wunderschöner Landstrich. Wasser wohin man schaut, Titzowsee, Großer Prebelowsee, Labussee und viele, viele andere verbunden mit Kanälen bilden eine einmalige Wasserlandschaft. Treffpunkt ist die Badewiese am Vilzsee im Süden Mecklenburg-Vorpommerns.
Vilzsee und Labussee
Gut, der Zander liebt trübes Wasser, um seine geniale Sehfähigkeit bei der Jagd auszuspielen, das war mir durchaus bekannt. Doch vor uns liegt unter strahlend blauem Himmel ein brauner, beinah „unsichtbarer“ See. Ein Badegewässeraushang der zuständigen Behörde dokumentiert eine jahresdurchschnittliche Sichtweite von 1,1 Meter. Von diesen Idealwerten scheint der zur Müritz-Havel-Wasserstraße gehörende Vilzsee weit entfernt. Ein wirklich eutropher See.
Ein Plan B muss her, denn ehe wir hier einen Zander entdecken, hat uns dieser bereits attackiert, weil wir in seinen Brutbereich unwillentlich eingedrungen sind. Die Wahl fällt auf den Stechlinsee, nur eine gute halbe Stunde von hier entfernt. Mein letzter Tauchgang in diesem Klarwassersee liegt ohnehin schon eine Weile zurück.
Tauchbasis Stechlinsee
Wenngleich ein wenig überrascht, so wurden wir sehr freundlich vom Basisleiter Micha der ansässigen „Tauchbasis Stechlinsee“ empfangen. Seit einigen Monaten betreibt „Atlantis Berlin“ die einzige Basis vor Ort. Da wir uns hier in einem Naturschutzgebiet befinden, ist das Tauchen in dem eiszeitlichen Gewässer durch Naturschutzauflagen reglementiert. Nachttauchgänge sind untersagt, die Anzahl der Tagestauchgänge ist limitiert und der Tauchbereich im See begrenzt.
Tauchen im Stechlin
Die Anmeldung und Einweisung ist schnell gemacht. Wir schnacken noch ein wenig mit Micha über Dies und Das der Taucherwelt. Man kennt sich. Dann werfen wir unsere schwarze Taucherkluft über und geben uns ganz dem Stechlinsee hin. Wir tauchen Richtung Westen, Richtung Halbinsel. Der See fällt an dieser Stelle sehr flach ab. Lange Zeit tauchen wir nicht tiefer als 4 Meter. Die Makrophytenwelt ruht noch unter den Ablagerungen der vergangenen Saison. Vorsichtig durchstoßen erste Triebe von Wasserpest, Ährenblatt und verschiedener Leuchterlagen die verrottende Biomasse. Nach gut 30 Minuten Tauchzeit erreichen wir stolze 8 Meter Tiefe, dabei haben wir vielleicht die Hälfte der Wegstrecke zur Halbinsel zurückgelegt.
Makrophyten im Stechlinsee
Außer einer aufgescheuchten Schleie kommt uns bisher kein Fisch vor die Maske. Algen und Bakterien schneiden bizarre Formationen in verschiedenen Farbtönen in das verblasste Unterwassergrün. Produzierende Gase der Biomasse steigen nach oben, verfangen sich in Fadenalgen und schaffen so gespenstische Gebilde. Ein zweiter Blick lohnt allemal. Wir drehen ab nach Norden um in Ufernähe den Rückweg anzutreten.
Bizarre Schönheiten im Stechlin
Schlammschnecken ziehen ihre Bahnen und hinterlassen Laichstränge. Im Sediment ruhen große Sumpfdeckelschnecken und vereinzelt trifft man auf die geschützte Gemeine Kahnschnecke. Rote Wassermilben tanzen im Licht der Sonne und wenige Kamberkrebse ertasten mit ihren langen Fühlern die vorbeitauchenden, schwarzen Wesen. Die Sonne erweckt das Leben, auch wenn sich der Stechlinsee mit seiner Pracht noch stark zurückhält. Die Sichtweiten variieren von 2 – 4 Metern, eines Klarwassersees nicht würdig. Noch vor der Wendezeit waren wir viel mit unseren Kindern am Stechlin unterwegs und haben einen aussergewöhnlich klaren See in Erinnerung. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Eine wirklich nachvollziehbare Erklärung dafür habe ich noch nicht gehört. Obwohl der See wegen der ansässigen Limnologie und dem ehemaligen Kernkraftwerk der DDR das am besten untersuchte Gewässer ist. Am Ende gibt uns für einen Augenblick noch ein stattlicher Hecht die Ehre. Nach 100 Minuten entsteigen wir dem Stechlinsee.
Sumpdeckel- und Gemeine Kahnschnecke
Welch‘ traumhaftes Wetter. Der nassen Klamotten haben wir uns schnell entledigt. Lecker Dekobier. Danke Buddy Heiko. Micha serviert uns einen heißen Kaffee und ‚ne lecker Bockwurst. Zur Krönung gibt’s Stolle. Mmh. Wir haben uns wirklich wohl gefühlt. Es tut sich einiges auf der Basis. Neue Wohncontainer bieten zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten und das Speisen- und Getränkeangebot hat sich ebenso erweitert. Zwei weitere Taucher aus Berlin und Bayern haben zur Basis gefunden. Bevor wir uns verabschieden, tauschen wir uns noch über diverse Tauchreviere aus. Auch der schönste Tag geht einmal zu Ende. Staufrei geht’s dann wieder heimwärts.
Kennt ihr den Stechlin unter Wasser?
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2017 Eistauchen im Werbellinsee
16.02.2017, Werbellinsee (Brandenburg)
Das Thermometer klettert bereits in den einstelligen Plusbereich. Die knackige Kälte der letzten Wochen weicht milden Temperaturen. Der Werbellinsee ruht unter einer beinah geschlossenen Eisdecke. Wir nutzen den strahlenden Sonnenschein für ein vorerst letztes Eistauchen im Werbellinsee.
Märchenwiese, Voigtwiese, Badewiese, Holzablage, Kap Horn, Dornbusch – Eis, soweit das Auge reicht. In der Mitte des Sees spaziert ein Seeadler über das gefrorene Wasser. Kormoran und Höckerschwan sitzen das Problem einfach aus. Wir fahren nach Altenhof zum Anleger in der Hoffnung auf einen offenen Einstieg. Zahllose Blässrallen, Stockenten, Reiherenten und Schwäne strampeln und schnattern einen gut 20 Meter breiten Uferstreifen eisfrei. Entlang des Ostufers vorbei an der Alten Fischerei treffen wir auf weitere Wasservögel-Kolonien. Wir wollen die ohnehin aufgeregten Vögel nicht noch weiter mit unserem Unterwasserbesuch stressen und fahren zurück zum Dornbusch.
Werbellinsee im Winter
Der See funkelt in der Sonne. Das Eis knackt und ächzt. Wir freuen uns auf unseren Tauchgang. Doch vor dem Vergnügen steht die Arbeit. Zum Betreten ist das Eis zu schwach. Wir schlagen uns einen Einstieg in das 3 – 5 cm dicke Eis und schieben die berstenden Eisschollen unter die Eisdecke. Wir treiben eine Schneise bis wir brusttief im Wasser stehen. Bei guten +4 Grad wird dieser Einstieg während unseres Tauchganges auch nicht mehr zufrieren.
Eistauchen im Werbellinsee
Wir springen in unsere Anzüge und Ausrüstung. Die frühlingshaften Temperaturen lassen uns nach langer Zeit wieder einmal schwitzen. Und ab geht’s ins Wasser. Das eine Ende eines 30 Meter langen Seils ist schnell an einem Baum befestigt. Wir tauchen nach einem Check mit dem anderen Ende unter das Eis. An einer vereinbarten und markanten Stelle sichern wir das Seil mit einem Anker in einer Tiefe von 6 Metern am Grund des Sees. Hier werden wir auch unseren letzten Dekostopp absolvieren.
Nach einem letzten Bubblecheck geht es hinab zu einem historischen Zeitzeugen, dem Kaffenkahn am Dornbusch, vorbei an der kleinen Mergelkante auf 21 Meter, einer beliebten Gaswechsel-Station. Nach wenigen Minuten leuchtet die mahagoniefarbende Bugkaffe im Schein unserer Tanklampen. Geduldig warten Fluss– und Kaulbarsche im Schutz des Unterwasser-Denkmals auf den Frühling.
Winterruhe am Kaffenkahn
Im Inneren des Kaffenkahns werden wir von einer ausgewachsenen Quappe begrüßt. Sie ruht entspannt auf ihren kehlständigen Bauchflossen. Dieser Süßwasserdorsch mit seiner marmorierten Haut ist immer wieder toll anzuschauen. Über Maststuhl und Mast bewegen wir uns fliegend zur Kajüte. Der mittelgroße Waller döst gut versteckt und zieht nach einem Foto von dannen. Taucher und Licht ist nicht unbedingt sein Ding. Das große Ruder am Heck auf 36 Metern beeindruckt mich stets aufs Neue. Hier sehe ich in meinem Kopf den Steuermann stehen, wie er den vollbeladenen Lastensegler über den wundervollen Werbellinsee führt. Zeitzeugen. Und ich wünsche mir, dass diese stets mit dem erforderlichen Respekt behandelt werden und uns noch lange erhalten bleiben.
Quappe, Aalrutte, Trüsche im Tauchrevier
Ich weiß nicht, wie oft ich hier bereits war. Und dennoch wird es niemals langweilig. Die Uhr tickt unentwegt. Unsere Gewebe haben sich schon gut aufgeladen. Wir beginnen den Aufstieg und arbeiten unseren Dekoplan ab. Einer Punktlandung gleich erreichen wir unseren Anker. Nachdem die letzte Minute des letzten Dekostopps veratmet ist, begeben wir uns direkt unter das Eis. Die Sonne scheint durch die Kristalle und die Atemluft rollt wie Quecksilber zum höchsten Punkt. Bäuchlings rutschen wir wie kleine Kinder auf dem Eis entlang. Was für ein Spaß. Leider ist das mitgeführte Gas nicht endlos, wie mein Tauchlehrer schon zu sagen pflegte, und so hat auch dieser Spaß ein Ende.
Eistauchen im Werbellinsee
Anker und Seil einsammelnd arbeiten wir uns zum Ausstieg vor und genießen an der Oberfläche noch einmal den faszinierenden Blick über den zugefrorenen Werbellinsee. Eistauchen im Werbellinsee, einfach wunderbar. Dank meinen Buddies Helmut und Heiko.
Eistauchen. Schon mal erlebt?
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