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Karpfen
Karpfen (Cyprinus carpio)
Wer in unseren heimischen Gewässern taucht, wird ihm ganz sicher schon begegnet sein, dem Karpfen. Eigentlich gehört er gar nicht in unsere Seen und Flüsse. Die ursprüngliche Heimat ist Asien, sind das Kaspische und Schwarze Meer. Seine europaweite Präsenz ist allein auf das menschliche Handeln zurückzuführen. Die Römer und Mönche, so liest man, sollen diesen beliebten Speisefisch nach Europa gebracht haben. Hier fand der recht anspruchslose Friedfisch perfekte Bedingungen und ist nunmehr in beinah jedem Gewässer anzutreffen.
Allerdings wird man meist nur die Zuchtform des Karpfens beobachten können. Der eigentliche Wildkarpfen mit seinem lang gestreckten Körper und der geschlossenen, goldgelben Schuppendecke ist selten geworden.
Spiegelkarpfen in heimischen Gewässern
Als Speisefisch erfolgt die Zucht des Karpfens in Aquakulturen, meist künstlichen Zuchtteichen. Als Schuppenkarpfen, Spiegelkarpfen oder Lederkarpfen werden diese dann vermarktet. Sehr beliebt ist der im hohen Alter sehr vorsichtige Fisch bei Anglern und findet als Besatzfisch so den Weg in unsere heimischen Gewässer. Klassisches Konfliktpotential.
Während die Petrijünger gern reichlich von diesen kapitalen Fischen, sie können bis 1,20 Meter lang und gut 40 Kilogramm schwer werden, in ihren Angelgewässern wissen wollen, verträgt der heimische See mit seiner Pflanzenvielfalt jedoch nur eine begrenzte Anzahl dieser „Wühler“. Ihnen wird eine Mitschuld an der Eutrophierung, also der Nährstoffanhäufung zugesprochen.
Schuppenkarpfen in heimischen Gewässern
Das Durchwühlen des Grundes nach Fressbarem wie Larven, Muscheln, Würmer (Zoobenthos) setzt gebundene Nährstoffe immer wieder frei, Wasserpflanzen werden ausgerissen und sedimentiert. Deren Wachstum stagniert und ihre wichtige Filterleistung und Sauerstoffproduktion fehlt dem See. Beliebtes Anfüttern und die Ausscheidungen sorgen ebenso für einen Nährstoffzuwachs. Bei meinen Tauchgängen habe ich immer wieder derartige Wühlplätze sehen können. Sie gleichen eher Mondlandschaften. Der nicht unerhebliche Einfluss der Karpfenfische auf das ökologische System ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch kann und werde ich nicht den Fisch verteufeln. Er geht nur seiner Bestimmung nach. Die eigentliche Ursache ist im Handeln von uns Menschen zu suchen.
Kapitale Karpfen
Eine Unterwasserbegegnung mit diesen scheuen Fischen ist für uns Taucher allerdings ein nachhaltiges Erlebnis. Das kann ich nicht verhehlen. Bevor man in Sichtweite zueinander kommt, hat der Karpfen unser Blubbern gehört und entscheidet für sich zu bleiben oder mit einem kräftigen Schlag der Schwanzflosse im Grün des Sees zu verschwinden. In künstlichen Tauchgewässern wie Steinbrüchen werden Karpfen neben Stören gern auch zur Steigerung der Gewässerattraktivität eingesetzt. Auch hier kann man auf eine weitere Zuchtform des Karpfens, dem Farbkarpfen (Koi) treffen.
Farbkarpfen (Koi) im Steinbruch
Ein markantes Merkmal des Karpfens sind die beiden Barteln an der Oberlippe des Mauls, mit deren Hilfe Nahrung im Boden aufgespürt wird. Das Maul lässt sich mehrere Zentimeter rüsselartig ausfahren und saugt gefundenes Futter staubsaugergleich ein.
Von Mai-Juli ziehen die geschlechtsreifen Weibchen (Rogener) und Männchen (Milchner) in das warme Flachwasser zum Laichen. Während des Liebesreigens stößt das Weibchen ca. 1 Millionen Eier aus, die unmittelbar vom Männchen im Wasser besamt werden. Die befruchteten Eier haften eine Woche an Wasserpflanzen bevor die kleinen Fischlarven schlüpfen.
Karpfenartige (Cypriniformes)
2017 Tauchen im Westbruch
12.04.2017, Westbruch (Sachsen)
Sachsen ist definitiv das Tauchrevier der gefluteten Steinbrüche. Unzählige, ehemalige Abbaustellen von Granit, Porphyr und Schiefer sind heute ideale Tummelplätze für Sport- und technische Taucher. Das Oberflächenwasser sammelt sich in dem gehauenen Stein und schafft einzigartige Landschaften und Lebensräume. Das tiefe Blau wartet nur darauf, erkundet zu werden.
Östlich von Leipzig hauten Bergleute Granitporphyr magmatischen Ursprungs aus dem Kohlenberg bei Beucha. Mit Aufgabe der Betriebsstätte holte sich die Natur zurück, was ihr gehört. Der sogenannte Westbruch ist heute ein weithin bekanntes Tauchrevier. Seit vielen Jahren betreibt Uwe Seidel die Tauchschule „Taucherparadies Sachsen“ in Brandis und ist Hausherr dieses idyllischen Kleinods. Ein Tauchgang steht schon lange auf meiner To-Dive-Liste.
Tauchen im Westbruch
Heute nun ist es soweit, ausgerechnet an einem Mittwoch, dem einzigen Ruhetag. Doch Uwe zögert nicht lange und sagt: „Kommt vorbei, ich bin da.“. Die Autobahninfrastruktur ist mittlerweile so gut ausgebaut, A10-A9-A14-Abfahrt Naunhof und man fällt beinah ins Wasser. Nach gut 2 Stunden stehe ich an der mit einer Kette gesicherten Zufahrt zum Westbruch, auch Steinbruch Waldsteinberg genannt. Ich muss unbedingt einen ersten Blick wagen, bevor ich zu Uwe fahre. Nach nur wenigen Schritten stehe ich im Kessel am Ufer eines wunderbaren, einladenden Steinbruchsees. Die nackten, steilen Wände fallen in klares, blaues Wasser. Der Blick nach oben zeigt den Waldsaum und einen verhangenen, grauen Himmel. Ich freue mich auf den Tauchgang.
Steinbruch Waldsteinberg, Westbruch
Nur zwei Nebenstraßen weiter betreibt Uwe seine Tauchschule und –shop. Er heißt mich willkommen und führt mich in sein Reich. Mehrere Räume, gut gefüllt und sortiert mit Tauchequipment aller Art zeugen von einem langjährigen und erfahrenen Tauchbetrieb. Das Check-In ist schnell erledigt. Uwe nimmt sich ein wenig Zeit und erklärt mir anhand alter Fotos die Gegebenheiten des Steinbruchs während in HD-Qualität an der Wand ein großer Waller im Unterwasserwald seine Runden dreht. Ich muss dort jetzt hin.
Reste des Unterwasserwaldes
Zurück am Steinbruch nehme ich meinen Buddy in Empfang. Gut 190x120x20 Meter Wasserkörper gehören für den heutigen Tag uns allein. Das Leben ist schön. Lange schnacken ist nicht, wir wollen beide nur noch ins Wasser. Rödel, rödel, check und Platsch. Kaum den Kopf unter Wasser werden wir von einem Rudel Wasserscheine begrüßt. Sechs Spiegelkarpfen sehen nicht ihre ersten Taucher und sind regelrecht tiefenentspannt. Wir beginnen unseren Kurs linker Hand, so wie von Uwe empfohlen.
Spiegelkarpfen im Westbruch
Der Westbruch hat eine Tiefe von etwa 20 Metern, ein ehemals bewaldeter Absatz auf einer Tiefenlinie von 6-7 Metern zieht sich beinah um den ganzen See und ist wohl der meist betauchte Bereich im Bruch. Nach nur wenigen Flossenschlägen erscheint uns ein Taucherspielplatz. Telefonzelle, Porzellanschwein, Kunstfische, Hochbett und allerlei Klimbim dienen der Belustigung unter Wasser. Ich kann diesen Dingen immer noch nicht viel abgewinnen. Hat der Westbruch, wie sich zeigen soll, doch so viel „natürliche“ Formationen und Attraktionen zu bieten. Einen Ausbildungs- und Tarierparkour könnt‘ ich noch verstehen.
Taucherspielplatz im Westbruch
Wir tauchen weiter und erreichen die Reste des alten Wald- und Buschwerkes. Es macht Spaß hier auf Entdeckungsreise zu gehen. Immer mal einen Blick nach oben wagen, schadete noch nie. Und tatsächlich. An einem Felsvorsprung hinter einem toten Baum leuchten vier Kois. Das rot-weiße Schuppenkleid scheint gegenüber dem schlecht sehenden Wels kein Nachteil zu sein. Auch diese Karpfenfische sind an Taucher gewöhnt und verlassen den schützenden Bereich nur ungern. Immer wieder scanne ich den Grund, schaue zwischen den Gehölzen. Irgendwo muss doch der Herrscher des Steinbruches seine Ruhestatt haben. Fehlanzeige. Doch was ist das? Zwischen toten Kieferstämmen liegt ein kapitaler Hecht und döst. Er hat mich längst gesehen und gehört. Die Kamera im Anschlag nähere ich mich ihm. Er bleibt entspannt. Gefahr geht von den schwarzen Blasenmachern nicht aus. Doch kein Wels in Sicht.
Weiss-rote Kois
Ab und an machen wir einen Abstecher in die Tiefe. Wir übertauchen die Abbruchkante und lassen uns auf 20 Meter sacken. Restlicht bis zum Grund des Westbruches. Gebrochener Fels und rostendes Eisen erscheinen vor den Masken. Der Kompass zeigt bereits die Kehrtwende an. Wir steigen höher und folgen dem Absatz. Ein Boot mit Besatzung, Motor und Flagge liegt auf der Klippe und droht abzustürzen. Fadenalgen hängen wie Vorhänge an der steilen Wand. Die letzten Erdkröten-Männchen erklimmen den nackten Fels zurück ans Licht. Und die ersten Flussbarsche setzen kunstvoll ihren Laich im Geäst der toten Bäume ab.
Der Westbruch unter Wasser
Eine Öffnung in einer geschichteten Wand zeigt uns den Einstieg, das Ende der Umrundung an. Dieser befindet sich nämlich direkt über der Pulverkammer des alten Steinbruches. Gut 100 Minuten unterwegs und noch keine Lust zum Aufstieg. Vorbei an den wühlenden Karpfen tauchen wir noch einmal hinein in das Wäldchen, der Wels muss doch irgendwo sein. Diesmal bleibt er der Gewinner. Diesmal.
Nach gut drei Stunden und schweren Herzens entsteigen wir dann doch dem sächsischen Nass. Ein schöner Tauchgang. Der Westbruch verdient es, noch einmal besucht zu werden. Schnell zu Uwe den Schlüssel abgegeben und dann mit vielen, neuen Eindrücken heimwärts. Ein wundervoller Tag im Tauchrevier Deutschland
Unterwegs im Westbruch
Wer kennt diesen Steinbruch?
Freue mich auf eure Kommentare, Anmerkungen, Tipps, Links und Bilder.