Tag Archives:Nasengrundel
Marmorgrundel
Marmorierte Süßwassergrundel (Proterorhinus semilunaris)
Nicht nur wir Taucher erfreuen uns der Schönheit unserer heimischen Gewässer. Immer häufiger lassen sich Besucher aus fernen Regionen in unseren Flüssen und Seen beobachten. Hinreichende Lebensbedingungen laden zum dauerhaften Verweilen ein. Ohne menschliche Hilfe jedoch hätten die meisten Arten den Weg in unsere Unterwasserlebensräume nie gefunden.
Erst der länderübergreifende Handel, die Schaffung künstlicher Wasserwege und die Aquakultur ermöglichen eine eher unfreiwillige Besiedlung hiesiger Gewässerlandschaften. Die Wissenschaft datiert mit der Entdeckung Amerikas in 1492 den Beginn des Zeitalters der Neozoen und Neophyten, gebietsfremder Tiere und Pflanzen. Für die Unterwasserfauna seien hier stellvertretend der Zwergwels, Sonnenbarsch, Graskarpfen und verschiedene Grundelarten genannt.
Marmorgrundeln, Nasengrundeln
Während sich die Schwarzmundgrundel bereits flächendeckend in deutschen Gewässern ausbreitete und zu einer Art Plage ausgewachsen ist, wies ich nach Aussage von Prof. Dr. Heiko Brunken von der Gesellschaft der Ichthyologen die ersten Exemplare der Marmorierten Süßwassergrundel im mitteldeutschen Raum nach. Der Erstfund im letzten Sommer (2016) ist im digitalen Fischartenatlas (Fischfauna-Online) registriert.
Mehrere Tauchgänge im naheliegenden Kalksee sind in meinem Logbuch vermerkt. Im letzten Jahr jedoch bemerkte ich kleine am Boden huschende Wesen. Je mehr sich meine Augen auf die winzigen Tiere fokussierten, je zahlreicher erschienen sie. Ich hatte noch keine Ahnung, um welche Art es sich bei diesen offensichtlichen Fischen handelt. Einen, zwei, maximal drei Zentimeter maßen ihre Körper. Die Tiere lagen zwischen den Trieben des Gemeinen Brunnenmoos und „hüpften“ von Muschel zu Muschel einer großen Zebramuschelkolonie. Bei der geringsten Gefahr verschwanden sie blitzschnell in den zahllosen Versteckmöglichkeiten. Vorsichtig banne ich sie auf den Chip meiner Unterwasserkamera.
Juvenile Exemplare Marmorgrundel
Daheim am PC begann ich die Bilder zu sichten und auszuwerten. Meine Recherchen bestätigen mir den Fund der Marmorierten Süßwassergrundel, einem Neubürger in unseren Gewässern. Ein unverwechselbares Merkmal dieser Grundelart ist die röhrenartige Verlängerung ihrer Nasenlöcher, weswegen sie auch Nasengrundel genannt wird. Ihr massenhaftes Erscheinen, ich zählte 20 – 30 Exemplare pro Quadratmeter, sorgte mich. Werden sie sich fest etablieren? Welche Auswirkungen werden das Ankommen der Grundeln auf die heimische Fischfauna haben? Meine Entdeckung teilte ich mit dem lokalen Fischer und dem Institut für Binnenfischerei in Potsdam.
Noch viele Male bis in den Herbst hinein besuche ich meine Fundstelle und beobachte die Fische. Sie fühlen sich augenscheinlich wohl. Die Marmorgrundel erreicht eine Länge von 12-15 Zentimetern, demnach muss es sich bei diesen kleinen Tieren um Jungtiere handeln. Adulte Tiere finde ich nicht. Der Kalksee gehört zur Bundeswasserstrasse „Rüdersdorfer Gewässer“ und wird stark von Lastkähnen für die ansässige Baustoffindustrie beschifft. Eine wahrscheinliche Erklärung für den Eintrag dieser fremden Art. Ab einer Wassertemperatur von 12 Grad Ende November verschwinden die Grundeln. Sie werden sich für die Winterruhe zurück gezogen haben.
Neozoen im Tauchrevier
Im April dieses Jahres (2017), es ist Zanderlaichzeit, tauche ich erneut hinab auf den Grund des Kalksees. Werden die Marmorgrundeln den Winter überdauert haben? Die Zander sind aufgestiegen, vier Wochen früher als im letzten Jahr. Die Nester werden hergerichtet und in den nächsten zwei Tagen erfolgt die Eiablage. Drei Wochen werden die Männchen die Brutpflege und Nestwacht übernehmen. Die Wassertemperatur beträgt 10 Grad. Marmorgrundeln kann ich nicht entdecken. Mitte April zeigen sich dann die ersten Tiere. Der Winter und die lange geschlossene Eisdecke konnten der aus dem kaspischen Raum beheimateten Grundel nichts anhaben. Alle zwei Tage steige ich ins Wasser, um die Zander zu studieren. Mit jedem Tauchgang wächst die Anzahl der gesichteten Marmorgrundeln. Es bleiben weiterhin Jungtiersichtungen.
Marmorierte Süßwassergrundel (Proterorhinus semilunaris)
Sedimentwolken stieben aus einer kleinen Öffnung einer Muschelformation. Meine Aufmerksamkeit war geweckt. In der Nebelwolke erkenne ich eine graublaue Flosse. Für die bisher entdeckten Marmorgrundeln viel zu groß. Sie verschwindet blitzartig und weitere Sedimentwolken treten hervor. Irgendetwas passiert im Inneren der Formation. Meine Kamera im Anschlag warte ich. Dann ein Kopf, zwei Köpfe … Die gut zu erkennenden Nasenröhren verraten Marmorgrundeln. Doch diese Exemplare sind viel größer. Es müssen adulte Tiere sein. Jetzt treten beide Tiere aus dem Versteck und liefern sich einen erbitterten Kampf. Immer wieder attackieren sie einander, um sich dann mit ihren Mäulern zu verbeißen. Was für ein Schauspiel. Für ein Paarungsritual erscheint mir die Auseinandersetzung zu martialisch. Ich vermute einen Revierkampf unter ausgewachsenen Männchen.
Revierkampf zweier Marmorgrundeln
So konnte ich nun die ersten erwachsenen Exemplare der Marmorierten Süßwassergrundel in einem unserer Brandenburger Seen entdecken. Sind die Neozoen angekommen?
Diese am Grund lebenden Fische mit ihrem großen Kopf, den riesigen Brustflossen, dem grau-blau-rot marmorierten Schuppenkleid und der orangeleuchtenden Rückenflosse sind schön anzuschauen. Man kann sie für ihr Dasein nicht verdammen. Werden heimische Fische eine erfolgreiche Strategie im Umgang mit den Räubern entwickeln? Dass diese den Laich jetzt im Frühjahr nicht verschmähen, konnte ich bereits beobachten. Im Schutz der Zebramuscheln schaffen sie es sogar in das Gelege eines Zanders um sich an den „Trauben“ zu laben. Heimische Räuber wie Quappe und Zander sollen jedoch bereits kulinarisches Gefallen an den Grundeln gefunden haben.
Laichräuber Marmorgrundel
Meine Neugier ist geweckt und ich werde die Entwicklung der Population im Kalksee weiter beobachten.
2016 Tauchen im Kalksee
2016, Tauchen im Kalksee (Brandenburg)
Manchmal liegen die Dinge so nah. Lange Zeit habe ich ihn ignoriert, den Kalksee. Dabei stehe ich in nicht einmal 5 Autominuten am Ufer des klaren Gewässers Brandenburgs. Vielleicht lag es an den Motorbooten und dem regen Schiffsverkehr auf dem zur Bundeswasserstraße gehörenden Kalksees. Über den angrenzenden Flakensee, Dämeritzsee und die vielen Kanäle werden Baustoffe vom und zum Krienhafen geschifft.
Tauchen im Kalksee
Mittlerweile zähle ich den Kalksee zu meinen „Hausseen“ Allein in diesem Jahr bin ich gut zehn Mal in ihm abgetaucht. Und ich habe keinen Tauchgang bereut. Gut, mit einer maximalen Tiefe von 10 Metern ist er nicht besonders spektakulär. Der Natursee weist keine Steilwände, Schluchten oder andere interessante Unterwasserformationen auf (zumindest habe ich noch keine entdeckt) und die Flora mit dem dominierenden Brunnenmoos, Hornblatt und Tausendblatt ist auch nicht unbedingt abwechslungsreich. Jedoch überraschte mich der Kalksee immer wieder auf’s Neue.
Im Frühjahr brüten im Schilfgürtel lärmend zahlreiche Haubentaucher und eine Unterwasserbegegnung war nur eine Frage der Zeit. Es sind so elegante Taucher und Jäger. Kein leichtes Unterfangen, ihnen mit der Kamera zu folgen.
Elegante Jäger – Haubentaucher
Im April weckte ein großer Schwarm aufgeregter Plötzen meine Aufmerksamkeit. Wild kreisen sie auf der Stelle und stoßen immer wieder nach unten auf den Grund. Ein frisches Zandernest mit unzähligen Eiern lockt. Ich traue meinen Augen kaum. Drei stattliche Zander in unmittelbarer Nachbarschaft bewachen ihre Nester gegen eine Vielzahl von Fressfeinden. Sie haben alle Flosse voll zu tun, Plötzen, Aal und Flussbarsch auf Distanz zu halten. Eine gute Woche Brutwache und –pflege zehrt an ihren Kräften.
Zander im Kalksee
Es sind aber auch die kleinen Dinge, die mich im Kalksee immer wieder Staunen lassen. Süßwasserpolypenkolonien an Trieben von Hornblatt und Tausendblatt tanzen in der leichten Strömung und filtern unentwegt das Wasser. Flohkrebse huschen zwischen Dreikantmuscheln von Versteck zu Versteck. Schwebgarnelen tanzen massenhaft im großen Reigen. Geweihschwämme wachsen zu bizarren Gebilden. Sedimentiert vom aufgewühlten Grund durch Boote und Strömung verrichten Kamberkrebse ihren Job am Grund.
Hydra, Schwamm und Kamberkrebs
Auf meinen Tauchgängen im Kalksee begegne ich Plötzen, Blei, Flussbarsch, Schlei, Stichling und Hecht. Auch Steinbeißer nennen den Kalksee ihr Zuhause. Ich freue mich immer riesig, diesen scheuen Fisch zu sehen.
Steinbeißer im Kalksee
Neubürger (Neozoen) wie die Körbchenmuschel, Zwergdeckelschnecken oder Süßwassergarnelen bevölkern ebenso den Brandenburger See.
Neozoen im Kalksee
Eine besondere Entdeckung machte ich erstmalig in diesem Jahr. Eine massenhafte Population der Marmorierten Süßwassergrundel ist im Kalksee angekommen. Mit 1 – 3 Zentimetern sind die Exemplare noch recht klein. Gut 20 Tiere auf einem Quadratmeter konnte ich zählen. Erst wusste ich gar nicht, wen ich vor der Kamera habe. Die Auswertung der Bilder und einige Recherchen bestimmten den Einwanderer. Wegen ihrer markanten Nasenröhren werden die Fische auch Nasengrundeln genannt. Auch die Biologen und Ichthyologen vom Institut für Binnenfischerei Potsdam und der Hochschule Bremen überraschte meine Entdeckung. Der rege Schiffsverkehr trägt sicher zur Neubesiedlung unserer Gewässer bei. Bin gespannt, wie sich diese Population im See entwickelt. Mache mir ein wenig Sorgen um die Zandergelege im nächsten Frühjahr.
Marmorierte Süßwassergrundel
Der Kalksee ist für mich ein spannendes Tauchrevier und ich freue mich auf weitere Entdeckung bei meinen Unterwasserexkursionen.
Kennt Ihr den Kalksee?
Freue mich auf eure Kommentare, Anmerkungen, Tipps, Links und Bilder.